8gegen88 klingt erst einmal ein wenig reißerisch. Zumal in einer Fachhochschule. In Dortmund hatte der Fachbereich 8 der FH einen Aktionstag und wollte Stimmungslagen am »rechten Rand« erkunden. 88 ist ein Szenecode im rechten Bereich, der aber weithin überschätzt wird. Ein Teil dieses »rechten Randes« wird sich über den Hitlerismus definieren – 88 soll für »Heil Hitler« stehen. Ein anderer nicht. Ich konnte einen Teil dieses Aktionstages erleben. Im Anschluss an den Vortrag von Olaf Sundermeyer, der nach seiner Dokumentation »Dunkles Deutschland« über rechte Allianzen bei der Ablehnung des Flüchtlingszuzugs seine Erkenntnisse darlegte, durfte ich mit den Studentinnen und Studenten über die »perspektiven des Ein- und Ausstiegs reden. Über Fragen Radikalisierung und Deradikalisierung.
Professor Dierk Borstel moderierte das intensive Gespräch, das kontrovers und empathisch gleichzeitig war. Es ging auch um die Frage, wie Gesellschaft mit biografischen Brüchen umgeht. Nicht um eine Biografie allein, sondern um die exemplarische Frage, wie Lebenswege verlaufen können. Dabei gab es viele Fragen, Zweifel und viele gute Gedanken und Wünsche. Gut, dass es künftige Sozialarbeiter gibt, die sich auf gesellschaftliche Probleme vorbereiten. Schade, dass die Gesellschaft so wenig Interesse an der Lösung der Probleme hat.
Intensive Gespräche viele Fragen
Mir sind ein paar Fragen durch den Kopf gegangen, vor und während dieses spannenden Seminars, die gerade im Hinblick auf eine zu beobachtende Spaltung unserer Gesellschaft in PEGIDIAner und Gegner der Gruppen immer wichtiger zu werden scheint. Davon seien einige hier angerissen.
Dialog. Barrieren schaffen keine Konfliktlösung. Man kann gegensätzlicher Meinung sein, aber muss lernen, die fremden Positionen zu verstehen und nötigenfalls zu dulden. Ansonsten droht Bürgerkrieg. Es ist gerade das, was man den Demonstranten von PEGIDA zurufen möchte: Versetzt Euch in die Position der Menschen, die heimatlos hier stranden. Und den Gegendemonstranten von PEGIDA: Denkt über die Motive und Ängste nach, die diese Menschen auf die Straße treiben.
Menschlichkeit. Wenn man im vermeintlichen oder tatsächlichen »Nazi« oder im Journalisten der so empfundenen »Lügenpresse« nicht mehr den Menschen sieht, dann kann man ab sofort jede Ausstiegsarbeit beenden und jeden gesellschaftlichen Frieden vergessen. Jemand ist nicht »Held oder Verbrecher«. Und er ist nicht Nazi oder Nicht-Nazi. Nicht Lügner oder Wahrheitsapostel. Von allem ist etwas und augenblicklich in jedem Menschen. Der kleinste gemeinsame Nenner, das, was uns verbindet, muss gesucht werden. Das ist Grundlage für einen Dialog, wenn man denn wirklich den Traum einer integrativen, vielleicht sogar inklusiven Gesellschaft verwirklichen will.
Rassismus. Neulich hörte ich einen Radiobeitrag. Da wurde von einer Romafamilie aus Göttingen berichtet, die aus dem Kosovo stammt und 17 Jahre in Deutschland lebt. Jedes halbe Jahr bekam sie eine Duldung ausgesprochen. Vor 15 Jahren wurde eine Tochter geboren. Und nun könnte die Familie nach dem neuen Asylkompromiss abgeschoben werden. Wie kann sich eine politische Elite in diesem Land über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wundern, wenn sie selbst eine derart inhumane Politik betreibt? Und woher soll Vertrauen in der Flüchtlingspolitik kommen?
Wenn Politik immer nur das Zeigen mit dem eigenen Finger auf andere ist, werden sich gesellschaftliche Konflikte kaum lösen lassen. Foren, wie hier in Dortmund, gehörten in die Mitte der Gesellschaft, in den alltäglichen Diskurs. Offenheit beseitigt Ängste. Und Ängste sind es, besonders geschürte Ängste, die zu Konflikten führen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei den Integrationsbloggern.